Dienstag, 29. Mai 2007

Sensación térmica!

Es ist schon eine kleine Sensation und einen kleinen Post wert, was uns da gestern Nacht mitten im Mai überrascht hat: minus 7 Grad Celsius! Sensación térmica hat allerdings nix mit Sensation zu tun, sondern heißt einfach "gefühlte Temperatur" (wörtlich: thermisches Empfinden), und die lag laut "Radio Lehrerzimmer" und eigenem Empfinden bei minus 16 Grad!! Das war schon ein bisschen kalt, muss ich sagen, nachts unter der Decke und auch tagsüber in der Schule. Das Quecksilber im termómetro (Spanisch kann sooo einfach sein ;-) stieg dann bei wunderschöner Sonne an die Frostgrenze heran; von Frost war allerdings nicht viel zu sehen, denn es war so trocken, dass die Autos morgens nicht mal zugefroren waren und kein Tropfen sich auf den Bergen zu Schnee formen wollte. Diese Trockenheit ist für Patagonienen und Bariloche zwar bekannt, aber in diesem Mai wiederum ungewöhnlich und so sorgt der Mai wohl für eine echte kleine Sensation, denn so wenig Regen, so gutes, zwar kühles aber sonniges Wetter und vor allem so kalte Nächte hat es Augenzeugenberichten zufolge seit Jahrzehnten nicht gegeben.

Macht sich auch hier die Klimaveränderung bemerkbar? Gibt es bald keinen Flecken mehr auf der Erde, der seinem Klima treu bleibt? Heute Nacht ist übrigens eine thermische Sensation von minus 13° C angekündigt (bei AccuWeather.com) - und das im Mai! Die spinnen, die Patagonier...



Ergänzung, 30.05.2007:
Der erste Schnee, wenn auch nur ein Hauch, folgte sogleich.

Sonntag, 27. Mai 2007

Sprachbarrieren und Sprachblüten

Ich stehe am Postschalter, um ein Paket nach Deutschland aufzugeben. Der nette Herr von der Post reicht mir ein Formular und erzählt mir etwas, wovon ich nur verstehe „nombre“ (Namen), „esta cosa“ (diese Sache) und „contenido“ (was ich für mich als „zufrieden“ übersetze). Also entnehme ich daraus, dass ich einen Namen angeben soll, an wen die Bestätigung nach erfolgreicher (zufriedener) Sendung geschickt werden soll. Ich deute auf meinen Absender und sage „Yo!“ (in argentinischem Spanisch gesprochen: „Scho“), also „Ich“. Der Herr schaut mich komisch an und fragt zögerlich: „…colate???“. ´Häää?!´ Ich sage wieder: „Yo!“ (Scho), „Ich“ und zeige mit dem Finger auf mich, ´die Bestätigung soll ja an mich gehen´. Er fragt wieder nach einigem Stutzen „…colate???“ und nickt lächelnd! Ich schüttele den Kopf und sage: „No, no! ... Yo !!!“, (scho), woraufhin er wieder nachfragt: „…colate??“ Erst jetzt entscheide ich mich zuzugeben, dass ich vielleicht etwas falsch verstanden haben könnte, sage etwas schüchtern und leise: “Perdon, no entiendo”. Nach einer geduldigen und langsamen Erklärung geht mir ein Licht auf, jetzt verstehe ich es! Wie unangenehm! Es geht natürlich nicht um die Angabe meines Namens für die Bestätigung, sondern um eine Auflistung der Dinge (cosas), die in dem Paket verschickt werden! Der Mann hatte sich auf „Yo“ (ich) natürlich keinen Reim machen können, da ich ja schwerlich in die Kiste passe, und daher angenommen, ich wolle cho-colate (sprich „Schokolate“) sagen.

Auf der anderen Seite gibt es aber auch lustige Dinge, die nicht auf unser Konto gehen, sondern Verdreher von den deutschstämmigen Argentiniern in Deutsch:
  • „Meine Schwiegermutter klagt immer über Schmerzen, ich glaube, sie will immer nur beleidigt werden.“
  • „Ich muss heute noch zur Bank, meine Kreditkarte renovieren lassen.“
  • „Das hat ja heute vielleicht geregnet. Ich war quatschnass.“
Sprachblüten aus dem Deutschunterricht:
  • „Ich finde die TV-Serien ein wischen langweilig sind. Es ist unglaublich wie die Leute viele TV-Serien sehen. Man sollte nur ein oder zwei Serien pro Tag sehen, ich denke das es ist gut, aber mehr ist schädlich." (Aufsatzkommentar, Schülerin, 12. Klasse)
  • Aus dem Reisebericht einer Schülerin (17): "Meine Familie hat nur Bio Essen gegessen, nur ökologisches Essen, Gemüse und Obst. Das Essen war sehr komisch, aber lecker. Wir haben um 18 Uhr zu Abend gegessen, in Argentinien esse ich um 22 Uhr, am Anfang war das sehr schwer für mich. Und meine Gastschwestern und meine Mutter essen kein Fleisch, ich habe nur zwei mal Fleisch gegessen. Ich habe es vermisst."
  • "In Argentinien ist der Unterricht wie ein Kaos, die Schüler schreien und nur manchmal machen sie Hausaufgaben. Und dann haben die Jugendlichen normalerweise schlechte Noten." (Aufsatzkommentar, Schülerin, 12. Klasse)
  • Schüler (16): "Ich früher gut deutsch sprechen, wenn ich klein. Weil mein Oma und Opa mit mir deutsch sprechen."

Samstag, 19. Mai 2007

El sueño de una camioneta - Teil II

Bariloche. Seit Mittwoch haben wir doch glatt ein Auto in unserem Besitz, zwar keine camioneta, dafür aber eine schöne limusina. Am 30. April schrieb ich noch hoffnungsvoll, dass es mit dem Auto in ein paar Tagen wohl so weit sei (siehe Post). Seitdem sind weitere Tage voller Hoffnung, dann Frustration und schließlich Resignation vergangen; und zwischen dem ersten Anruf beim Verkäufer und dem Kauf und Überschreiben der Papiere gingen nun insgesamt drei Wochen ins Land. Dazwischen lagen unzählige Telefonate und trámites, was man am besten mit Behördengang oder Dienstweg übersetzen könnte und was hier genau so gut für Erledigungen bei der Bank, der Stromgesellsschaft, der Post oder eben für einen Autokauf gesagt wird.

Das trámite "Autokauf in Bariloche" hier in kurzen Auszügen: Zunächst haben wir das Auto in einer Werkstatt checken lassen, aber wir kennen natürlich keine vertrauenswürdige Werkstatt hier, also musste die gute Fee Renate (Sekretärin des Schulvereins) mal wieder mit Adressen und Telefonaten aushelfen. Dann musste mit dem Verkäufer bzw. beim Registro Seccional de la Propiedad del Automotor (Straßenverkehrsamt) geklärt werden, ob die Papiere des Autos alle in Ordnung sind (papeles al día), denn das ist hier nicht selbstvertständlich, da steht in der Verkaufsanzeige auch schon mal sin papeles und das Auto fährt nicht nur schwarz durch die Gegend, sondern wird auch so verkauft. (Die Anzeigen im ABC werden hier übrigens gerne mal auf das Nötigste beschränkt, wie zum Beispiel "Clio `98 diesel Tel ...", siehe Anzeigen.) Das Okay kostete 29 Peso und verhieß Gutes, es verhieß jedoch noch lange nicht, dass wir das Auto auch einfach so kaufen können, schließlich sind wir Ausländer. Mit der Deutschen Botschaft in Buenos Aires mussten wir also klären, ob wir das Auto als Ausländer kaufen dürfen. Regina vom hiesigen Deutschen Konsulat wusste es nicht, meinte aber, dass mañana (morgen) zufällig eine Mitarbeiterin der Botschaft zur Sprechstunde käme, was für ein Glück. Die Botschaftsmitarbeiterin meinte, wir müssten den Autokauf vorher beim argentinischen Außenministerium genehmigen lassen, damit wir nachher mit den grünen Diplomatenkennzeichen fahren könnten, das würde etwa zwei Wochen dauern. Zwei Wochen! Auf meine Nachfrage, ob wir das Auto denn nicht mit den argentinischen schwarzen Kennzeichen kaufen und fahren könnten, sagte sie uns, das müssten wir mit den zuständigen argentinischen Behörden hier vor Ort klären. Also wieder zum Registro ... und siehe da, no hay problema. Toll. Auto in Ordnung, Papiere in Ordnung, kaufen dürfen wir auch - und der Verfkäufer will auch immer noch verkaufen. Das nächste Problem war jedoch, wie der Verkäufer an seine paar tausend Dollar kommen würde, denn für eine Auslandsüberweisung auf sein Konto brauchten wir ja SWIFT- und IBAN-Code. Bis wir ihm das mit Hilfe unserer netten Freundin Gaby, einer Österreicherin, die seit ein paar Jahren in Argentinien lebt und für uns dolmetscht, erklärt hatten und er die Infos von seiner Bank besorgt hatte, vergingen wieder ein paar Telefonate und mehrere Tage. Er hatte die Daten dann zwar beim nächsten Treffen dabei, wollte aber keine Banküberweisung mehr, weil er das Auslandsgeld dann versteuern müsse und monatlich nur über Peso im Wert von 5.000 US-Dollar verfügen könne. Also Cash. Aber Western Union will dafür etwa 180 Euro Gebühren, außerdem müsste jemand das Geld bar in Deutschland einzahlen. Dann also doch eine Auslandsüberweisung, dachten wir, aber eben auf mein eigenes argentinisches Gehaltskonto bei der Banco Francés mit dem Verwendungszweck der "familiären Unterstützung", so der heiße Tipp von Gaby. Die Bank teilte uns dann mit, dass Geld aus dem Ausland mit dem Verwendungszweck der "familiären Unterstützung" nur bis zu 5.000 Dollar transferiert werden könne und das Geld de facto nicht von meinem eigenen Konto in Deutschland kommen dürfe. Die Lösung: Birgit als Kontoinhaberin unseres gemeinsamen Kontos gibt den Überweisunsauftrag und unterstützt mich armen Hund hier in Argentinien. (Für weitere Unterstützungen gebe ich gerne per Mail die Bankverbindung bekannt ;-) Bueno. Für die Auslandsüberweisung hat unsere Bank in Deutschland - mit der ich bisher eigentlich zufrieden war - trotz Eilauftrag dann mal eben vier Werktage gebraucht, die argentinische Bank hat mit dem Geld ebenfalls noch vier Tage jongliert und erst auf Nachfrage dank Renate den Eingang bestätigt! Ich füllte dort ein Formular aus und sollte das Geld am nächsten Tag bekommen, also schnell den Verkäufer angerufen und einen Termin für mañana gemacht. Leider fiel der Bank danach erst auf, dass sowohl Birgit als auch ich als Absender auf der Überweisung auftauchten und rief bei uns an. Ich also am nächsten Tag wieder zur Bank, wo man mir nun mitteilte, dass es mit der "familiären Unterstützung" so nicht ginge, man könne aber ein neues Formular ausfüllen, denn ich könne mir ja aus dem Ausland sin límite (unbegrenzt) Geld auf mein eigenes Konto schicken, ich könne la plata mañana abholen!! Warum um alles in der Welt sagt uns der Kerl das nicht schon in der Woche zuvor?! Statt dessen haben wir den Rest de la moneda tagtäglich mit der Kreditkarte gezogen, da wir am Automaten immerhin 1000 Peso am Tag bekommen. Wären wir gleich vom ersten Tag an zum Automaten gegangen, hätten wir los dineros schon längst zusammen gehabt und wenigstens einiges an Bankgebühren gespart. Denn nach dem Kauf mussten wir beim Registro Seccional de la Propiedad del Automotor ja die Papiere umschreiben lassen. Wir füllten wieder fichas (Formulare) aus und mussten dann mit dem ficha cero ocho (Formular 08) zu ANSES (Administración Nacional de la Seguridad Social), um das Ganze prüfen und stempeln zu lassen. Ich habe mittlerweile selbst nicht mehr verstanden, warum. Mit diesem Wisch mussten wir dann bei einer Bank 1 % del valor (des Kaufswertes laut Liste) für Sellado Fiscal bezahlen, was wörtlich übersetzt so viel heißt wie Stempelungssteuer, insgesamt 146 Peso. Als wir dann zum Registro zurück fuhren, bekamen wir schlussendlich den Fahrzeugbrief und alle weiteren Unterlagen ausgehändigt - und mussten noch mal 184 Peso an Gebühren bezahlen. Wenigstens brauchten wir keine neuen Nummernschilder bezahlen, denn die Autos behalten hier immer das selbe Kennzeichen. Wenn man das alles zusammen aber mal umrechnet, kostet die Zulassung mehr als in Deutschland (rund 90 Euro!), dem Bürokratieland Nummer eins, das muss man sich mal vorstellen. An Bankgebühren kamen noch über 37 Euro auf deutscher Seite und etwa 60 Euro dazu, weil die Banco Francés in einem unverschämt schlechten Kurs umgerechnet hat. Mir soll`s egal sein, wir haben jetzt endlich ein Auto und mañana fahre ich wieder `ne Runde.

(Wen`s interessiert: Es ist ein Nissan Maxima 3.0 V6
von 1992, US-Import, 1994 zugelassen. Und unter uns: die 170 Pferdchen galoppieren gut!)

Dienstag, 8. Mai 2007

Radio Bariloche

Die Stadt Bariloche besitzt einen Fernsehkanal Canal 6 und einen Radiosender Radio Bariloche. Ersterer hat es sich nicht nehmen lassen, Marc schon in den ersten Wochen in Groß- und Nahaufnahme zu senden, zwar nur recht kurz und bedeutungslos als Zuschauer des Festaktes zum 100-jährigen Jubiläum der Schule, aber immerhin! (Marc hat sich übrigens nicht selbst erkannt, und das, obwohl bei der Szene nur noch drei Schülerinnen der fünften Klasse zu sehen waren!) Das Interesse an zweitem genanntem Medium haben wir schnell verloren, da wir bei der Stimme des wohl einzigen Radiosprechers regelmäßig einzuschlafen drohen. Langsam und monoton und mit einer betäubenden Entspannungsmusik im Hintergrund werden Informationen und Nachrichten verkündet. Anfangs dachten wir, der Papst persönlich hätte einen Nebenjob beim Radio Bariloche, als wir ihn jedoch Ostern beim Urbi et Orbi im Vatikan im Fernsehen sehen konnten, war diese Vermutung hinfällig… und die Frequenz für Radio Bariloche nicht mehr gewählt!

Das Fernsehen gewährt uns tagtäglich eine große Vielfalt bunter Unterhaltung. Rund 70 Fernsehsender haben wir zur Verfügung, einer davon die Deutsche Welle, die seit kurzem auch Sendungen der ARD und ZDF überträgt. Wenn wir Heimweh haben, schalten wir Kanal 65 ein und Johannes B. Kerner lächelt in unser Wohnzimmer mitten in Patagonien. So werden wir das Heimweh dann auch schnell wieder los (am besten funktioniert das bei seiner Kochsendung). Ein Vorteil des argentinischen Fernsehens ist zwar, dass wenige Filme synchronisiert, sondern mit Untertitel gesendet werden; so können wir immer vorgeben, Spanisch zu lernen, wenn bei uns wieder die Kiste läuft. Es ist allerdings nicht so einfach, eine Sendung zu finden, die uns gefällt, denn das Dechiffrieren der Fernsehzeitschrift des Kabelanbieters AVC Videocable dauert immer unheimlich lange: Das Programm ist nicht nach Wochentagen und Sendern aufgelistet, so dass man schnell und übersichtlich erkennen könnte, was gerade um 18 Uhr auf Kanal 37 läuft. Nein! Hier sind zunächst einmal die Genres wichtig, von denen es aber nur drei gibt: Sport, Film und Serie! Zum Genre gibt es dann das gesamte Fernsehprogramm, dies aber nicht nach Sendern, sondern nach Stunden sortiert, so dass man genau erfassen kann, wie viele Filme um 20 Uhr gesendet werden. Um welchen Film auf welchem Sender es sich dabei handelt, erfordert allerdings weitere Recherchen, denn die Sender sind nur mit zwei Buchstaben abgekürzt und die Argentinier haben sich zuweilen einige lustige spanischsprachige Titel einfallen lassen. So ist mit einem Fersehabend gleich auch immer ein Rätselabend verbunden: Das Rätsel bei „Belleza americana“ war schnell gelöst, bei „Sintonía de amor“ war das schon schwieriger, denn die Übersetzung des lateinamerikanischen Titels lautet „Melodie der Liebe“, obwohl der Film „Sleepless in Seattle“ (Schlaflos in Seattle) vom Verleih eigentlich mit dem spanischen Titel „Algo para recordar“ vertrieben wird. Da gehen wir doch lieber ins Sur Cine und schauen „300“.

Montag, 7. Mai 2007

Hunde & Co.

Die zweite große Bevölkerungsgruppe in Bariloche bilden neben den Menschen die Hunde! Große Hunde, kleine Hunde, süße Hunde, dreckige Hunde, müde Hunde, laute Hunde und viele mehr, sie gehören einfach dazu. Es scheint eine bunte Mischung zu sein aus herrenlosen Hunden und solchen, die eine Heimat haben. Sie sind einfach da, rennen umher, auf dem Bürgersteig, auf der Straße und oft liegen sie einfach nur ´rum, schlafend, dösend, meditierend, und versperren so den Weg, den Geschäfteingang oder einen Parkplatz. Erstaunlich ist das Gemüt dieser Hunde. Alle scheinen ruhig und ungefährlich, keiner kläfft bösartig oder fällt einen an. Ausgenommen die Wachhunde hinter den Zäunen der Einfamilienhäuser, die, wenn man noch Hundert Meter weit entfernt ist, anfangen ihr Revier zu markieren. In unserem Viertel gibt es beides, die sogenannten Wachhunde und die Streunenden. Diese beiden Parteien scheinen sich viel zu sagen zu haben oder über vieles diskutieren zu müssen und dies besonders abends. So kommt es, dass man abends mindestens eine Stunde lang ein Hundekonzert anhören kann, in dem alle Stimmen und Lautstärken vertreten sind. Dies wird von einigen krächzenden Vögeln kommentiert, den Chimangos, die den Schornstein des Nachbarhauses bewohnen, was ein nervenaufreibendes Spektakel ergibt. Man tut gut daran, sich nach einer gewissen Zeit daran zu gewöhnen, ansonsten wird man wahnsinnig.

Neben den Hunden stehen an dritter Stelle die Ohrenkneifer, wobei wir hoffen, dass dies nur eine temporäre Erscheinung ist. Man findet sie überall, wo es warm, eng und trocken ist. Jeder Haushalt klagt über diese illegalen Einwanderer. Man findet sie überall. Die bevorzugten Schlafplätze sind u. a. die Mittelfalte unserer Fernsehzeitschrift, der (trockene) Küchenlappen, und die bombilla (eine Art Metallstrohhalm für das berühmte Materitual). Ich begegnete einst einem Ohrenkneifer in unserem Vollkornbrot, eine lehrreiche Erfahrung.

Downtown

Durch meine mannigfaltigen Irrfahrten durch die Stadt Bariloche kann ich eigentlich sagen, dass ich die Stadt mittlerweile recht gut kenne. In Bariloche gibt es zwei Sorten von Straßen: Die, die parallel zum See und Hang verlaufen und somit eben sind und schließlich solche, die vom See bergauf führen. Zusammen bilden sie ein einfaches Schachbrettmuster, was es einem unmöglich macht, sich wirklich zu verlaufen. Das Zentrum der Stadt bilden zwei zum See parallel verlaufende Straßen, die Bartolomé Mitre und die Moreno, drum herum ist auch noch viel Trubel, so zum Beispiel in der Elflein oder der Onelli. Meist heißen die Straßen nach irgendwelchen berühmten Leuten, die sich für das Land oder die Leute eingesetzt haben, sei es für die Gringos (die Immigranten oder Unterdrücker) oder die Ureinwohner (die Indianer, Maputsche, Tehuelche u.v.a. oder Unterdrückte). Meistens gibt es zweispurige Einbahnstraßen, selten findet man Straßen mit Gegenverkehr und wenn, dann nur außerhalb der Stadt. Das war zu Anfang doch recht gewöhnungsbedürftig. Die Straßen mit Steigung sind mit Vorsicht zu genießen, denn hier wechseln sich Steigungen von 20 % mit Stufen und Treppenabschnitten ab. Der Mensch ist noch auf seinen Sehapparat angewiesen, denn schaut man nicht genau hin, stolpert man den Berg hinauf oder herunter. Besorgt frage ich mich allerdings, wie das ganze im bald herrschenden Winter sein wird, da ich jetzt schon nicht in der Lage bin, sicher nach unten zu kommen.

Fußgängerampeln gibt es nicht, denn Rechte haben die Fußgänger eh keine, Autos haben immer Vorfahrt, und man orientiert sich an den Ampeln für die Autos. Eine grüne Ampel bedeutet aber noch lange nicht, dass man die Straße gefahrlos kreuzen kann... Die Ampeln stehen hier übrigens nicht direkt an der Straßenseite, an der ein Auto halten muss, sondern gegenüber, also erst hinter der Kreuzung. Erstaunlich finde ich, dass an roten Ampeln nahezu jeder hält, werden doch im Gegensatz dazu die anderen Verkehrsregeln, die da angeblich gelten sollen, ignoriert. Vorfahrt hat der, der mutig ist, am lautesten hupen kann oder gut beschleunigen kann! Das Ambiente der Stadt könnte um einiges schöner sein, würde man nicht sekündlich ein Auto hupen, bremsen oder aufheulen hören. Hinzu kommt, dass die Stadt mittlerweile dem Verkehrsaufkommen nicht mehr gewachsen ist, und es wird aufgrund der hohen Zuwanderung immer mehr!

Im Zentrum der Stadt wechseln sich eigentlich folgende Geschäfte miteinander ab: An erster Stelle stehen die Schokoladen- und Pralinenläden, ein Mitbringsel der Schweizer Einwanderer, sehr lecker und eine ständige Gefahr für mich und meine Figur! Dann Souvenirshops, Autovermietungen, Fotogeschäfte, Kioske, locutorios (Allround-Mediotheken), Sprachschulen und Tourismusbüros für die Millionen von Touristen. Damit die Touristen auch satt werden, gibts eine Fülle von Cafés und Restaurants, bei denen eine gewisse Variabilität ausbleibt, denn meist gibt es Pasta oder carne (Fleisch), meist in einer Parilla (Grillrestaurant). Weitaus weniger findet man Boutiquen für Kleidung, Buchläden, Musik- oder Elektrofachgeschäfte. Große Kaufhäuser oder Supermärkte, wie bei uns Galeria Kaufhof, C&A, Saturn oder Real gibt es hier nicht (gleichwohl aber in Buenos Aires). Lebensmittel kauft man im La Anonima, dem argentinischen Pendant zu Aldi, dann gibt es noch den Todo, etwas teurer, und den Norte, etwas größer. Bei Lebensmitteln muss man eigentlich auf nichts verzichten, außer dass die Nutella hier unverschämt teuer ist, im Gegensatz dazu Fleisch super billig! Ganz praktisch finde ich, dass man einen Großteil seiner Nebenkosten für Haus und Wohnung bei den hiesigen Supermärkten begleichen kann. So liegt dann hin und wieder zwischen Konserven, Obst und Nutella auch die Telefon-, Gas oder Stromrechnung auf dem Kassenband.

Tage wie dieser!

Hier in Bariloche scheint es nur zwei verschiedene Arten von Tagen zu geben: Ein Tag an dem alles klappt, oder ein Tag an dem alles schief läuft. In bunter Willkür wechseln sich diese immer wieder ab. Ich skizziere euch einmal ein Beispiel für einen Tag, an dem alles schief läuft: Ich nehme mir vor, hinunter in die Stadt zu gehen, um folgende Dinge zu erledigen: Dokumente faxen, Briefumschläge kaufen, Dokumente kopieren und zur Post bringen und Einkaufen einiger Lebensmittel.

Zunächst einmal laufe ich los und vergesse die Faxnummer, so dass ich einen Block wieder bergauf zum Haus laufen, dass Tor und die Haustür wieder aufschließen und die Alarmanlage deaktivieren muss, um dann dasselbe in umgekehrter Reihenfolge wiederholen zu müssen, nachdem ich endlich die Faxnummer gefunden habe. Meine erste Station ist das nächste Locutorio, in dem ich das Fax versenden will. Nach vier Versuchen sagt das nette Mädchen etwas, das mir zu verstehen gibt, dass es nicht klappt, denn sie schüttelt den Kopf und gibt mir die Seiten zurück, warum auch immer… Ich bedanke mich mit einem „Gracias“ und gehe, nachdem ich für diesen Versuch vier Pesos bezahlt habe. Ich entscheide mich, kurz an der Bushaltestelle zu warten, vielleicht habe ich ja Glück und es kommt einer, der mich nach unten fährt. Schnell wird klar, dass ich kein Glück habe, denn eine Frau erzählt mir, dass heute die Busse streiken aus Trauer wegen des bei der Demonstration umgekommenen Lehrers. Nun gut… geh´ ich eben zu Fuß. Auf halbem Wege komme ich wieder an einem Locutorio vorbei und versuche es erneut mit meinem Fax. Aber auch hier habe ich kein Glück, diesmal zeigt mir der nette Mann auf der Faxbestätigung „no connection“. Ein Teilerfolg: Ich muss für die missglückten Versuche nix zahlen… Sehr nett! In der Stadt angekommen sehe ich einen Schreibwarenladen, der auf dem Schaufenster in großen Lettern „Fotocopias“ stehen hat. So gehe ich zuversichtlich hinein, hole meine Unterlagen heraus und sage: „Fotocopias, por favor!“. Die Frau schaut mich völlig entgeistert an und sagt entschieden „No“, den Rest ve
rstehe ich nicht. Aber ihrer Gestik und Mimik zufolge muss ich wohl ganz falsch gelegen haben, so als ob ich beim Bäcker eine Kontaktanzeige hätte aufgeben wollen. Vor der Tür schaue ich noch einmal ganz dramatisch und übertrieben auf das Schild im Schaufenster. Ganz demonstrativ will ich aus meinem Rucksack mein Wörterbuch herausholen (ich bin mir sicher, dass „Fotocopias“ Fotokopien heißen, nun ja…, vielleicht heißt es ja nur, dass sie im Geschäft Fotokopien liegen haben, nicht, dass sie welche herstellen können), und so stelle ich fest, dass ich meine Bibel, mein Garant fürs Überleben in der Fremde, zu Hause gelassen habe. Na super! Ich versuche trotzdem, im nächsten Schreibwarenladen Briefumschläge zu erwerben, denn in dem anderen wollte ich nicht länger als nötig bleiben.

Kühn und abenteuerlustig orientiere ich mich sorgfältig, finde aber keine Briefumschläge… Ich überlege, ob ich jemanden fragen soll… Aber wie? Ohne Wörterbuch? Vielleicht auf Englisch? Vielleicht heißen Briefumschläge ja ähnlich wie im Englischen, also „envelopes“ oder so. Ich versuche es, aber man versteht mich nicht! Englisch kann hier auch keiner! Grrrrr…!! Atmen nicht vergessen! Ich gehe weiter und treffe auf das dritte Locutorio und versuche hier mein Glück mit dem Faxen… Aber auch hier kein Glück, und dies doppelt, denn der Typ will für seine drei Versuche gleich 6 Pesos! Wieder auf der Straße atme ich ein paar Mal tief durch und entscheide, vielleicht einmal die Faxnummer zu überprüfen, vielleicht ist die ja falsch. Ich gehe also in das nächste Locutorio, in das von eben will ich natürlich nicht mehr rein, wahrscheinlich würde ich für eine Minute Internet 100 Dollar bezahlen. Gott sei Dank ist die Stadt gesäumt mit diesen Allround-Mediotheken, sodass ich auch kurze Zeit später vor einem PC sitze, der mir alle nötigen Einblicke in das World Wide Web gewährt. Nur, die Faxnummer ist richtig, also frage ich hier um die Versendung eines Faxes. Hier entschuldigt man sich jedoch ausgiebig, da das Faxgerät zur Zeit „no funcionar“(t). Beim nächsten Locutorio funktioniert zwar das Faxgerät, aber die Verbindung kann nicht hergestellt werden. Faxbericht: Negativ. Ich beschließe, in dem Büro in Deutschland, dass das Fax dringend benötigt, anzurufen und nachzufragen… Nächstes Problem: Ich habe kein Kleingeld! Ich beschließe mir Kleingeld zu besorgen, in dem ich mir am Kiosk an der Ecke Kaugummis kaufe, um mit dem Kleingeld zu telefonieren. Der Kiosk-Mann ist nett und fragt nach meiner Herkunft und was ich hier mache. Ich erzähle ihm von der deutschen Schule und dass Marc dort Lehrer ist. Und schon haben wir ein Gesprächsthema, denn sein Sohn geht dort in die fünfte Klasse… Nach einigen Momenten netten Smalltalks stehe ich wieder auf der Straße und stelle fest, dass der Typ mir nur Scheine zurückgegeben hat, hatte ich doch glatt vergessen, warum ich eigentlich Kaugummis kaufen wollte. Die Argentinier haben auch für 2 Peso Scheine (= 50 Cent), deshalb bekommt man oft Wechselgeld in Form von Scheinen zurück. Nun ja…, ich beschließe, mir im nächsten „todo“ (Supermarkt) etwas zu trinken zu besorgen, denn ich habe ganz schön Durst und nebenbei erhoffe ich mir ein paar Münzen Wechselgeld! Das habe ich auch kurze Zeit später in Händen, aber die erste Telefonzelle ist besetzt, die nächste hat keinen Hörer mehr und die dritte nimmt meine Münzen nicht an. Zwischendurch komme ich an der Bibliothek vorbei. Wohl wissend, dass die einen Kopierer haben, betrete ich das Gebäude. Aber auch hier entnehme ich dem Monolog der Dame zwei entscheidende Worte: „….no ….funciona“.

Zurück zur Telefonmisere: Da ich nun sowieso schon in der Nähe bin, beschließe ich, in einem mir bekannten Kiosk eine internationale Telefonkarte zu kaufen, denn da bin ich nicht auf Kleingeld angewiesen. Auf dem Weg komme ich an der Post vorbei und denke, hier muss ich sowieso meine Briefe abgeben, die haben bestimmt auch Briefumschläge! Hier reicht die Schlange aber bis an die Treppe an der Straße, so dass ich beschließe später noch mal hinzugehen… Weiter vom Pech verfolgt hat das erste Kiosk keine Telefonkarten mehr, das zweite Kiosk hat schon Siesta und so laufe ich vom Schicksal gejagt durch die Stadt auf der Suche nach entweder einem funktionierendem und nicht besetzten Münztelefon oder nach einem Kiosk, das Telefonkarten verkauft… Ohne Erfolg. Einmal sehe ich von weitem eine freie Telefonzelle, aber knapp eineinhalb Meter vor mir verschwindet ganz frech eine kleine alte krumme Hexe in das Häuschen… Verzweiflung und Frust wollen Wasser aus meinen Augen drücken, aber ich kann die Tränen noch zurückhalten! Ich beginne ziellos und ohne Verstand durch die Straßen zu laufen. Am Ende der Einkaufstraße sehe ich ein Schaufenster, in dem meine Telefonkarten ausgestellt sind. Endlich, das Schicksal lässt mich doch nicht in Stich! Gekauft und schon in einer Telefonzelle verschwunden. Dieses Telefon akzeptiert jedoch die Nummer der Hotline, bei der ich meinen auf der Karte freigerubbelten Zugangscode eingeben will, nicht. Das Telefon tutet einfach nicht! „Okay, Birgit, solche Rückschläge kennst du ja bereits, nicht aufgeben, weiter geht´s!“, denke ich mir. Hundert Meter weiter gibt es wieder ein Telefon! Nachdem ich die Hotline angerufen und meinen auf der Karte freigerubbelten Code eintippe, hör
e ich am anderen Ende der Leitung ein Band: Ich verstehe nur „es incorrecto“?! Ein erneuter Versuch: „el numero de su tarjeta es incorrecto“! Hääääää?! Jetzt ist es soweit: Eine Träne findet den Weg nach draußen! Ich bin echt verzweifelt, stolpere aus der Zelle und wandere weiter, hoffnungslos, ziellos, resigniert und am Boden zerstört. Dennoch, meine Wahrnehmung lässt mich nicht im Stich und so entdecke ich wieder eine Telefonzelle auf der anderen Straßenseite (dort, wo eben die Hexe schneller war als ich). Hier habe ich Glück, die Nummer wird akzeptiert, ein Freizeichen, ich habe es geschafft, juchee!! Doch warum geht keiner ´ran? Ein Blick auf die Uhr sagt mir, dass es ein Uhr ist, was so viel heißt, dass es in Deutschland fünf Uhr ist und das Büro bereits geschlossen hat! Okay… ich sollte auf dem schnellsten Weg wieder nach Hause, das ist nicht mein Tag!

Doch halt stopp: Ich könnte noch schnell an der Post vorbei, die Briefe aufgeben. Wieder Mut und Hoffnung schöpfend tragen mich meine Füße weiter! Doch vor der Post stehend, stelle ich fest, dass auch sie von 13 bis 16 Uhr Siesta hat! Ich beschließe nach Hause zu gehen und bitterlich zu weinen, doch auf dem Weg komme ich auf die Idee, Hackfleisch für Spaghetti Bolognese zu kaufen. Da der Supermarkt keine Selbstbedienungstheke hat und ich nicht weiß, was Hackfleisch heißt, verlasse ich den Supermarkt kurze Zeit später und vergesse dabei, dass ich eigentlich noch Margarine und Brot kaufen wollte… Ich komme an einer Bushaltestelle vorbei und habe Glück, denn der Bus hält gerade. Ich kaufe mir ein Ticket – das kann ich ja schon: „un boleto, por favor“ – und falle völlig fertig auf einen freien Sitz. Es dauert nicht lange, da bemerke ich, dass ich in den falschen Bus eingestiegen bin und drücke auf den Haltknopf. Mein Weg nach Hause ist jetzt etwas länger! Aber wenigstens scheint die Sonne…!

Solche Tage gab es in der Vergangenheit öfter! Es lässt sich jedoch erkennen, dass diese, wenn auch recht langsam, immer seltener werden. Zuletzt ist es mir sogar gelungen, in einem Reformhaus Salbeitee und Hefe zu kaufen, in einer Apotheke bin ich ausführlich beraten worden über verschiedenste Cremes für Neurodermitiker und mittlerweile kaufe ich mindestens einmal in der Woche ein Kilo Hackfleisch, und das sogar beim Metzger meines Vertrauens! Dass ich hier und da noch ein paar Misserfolge durchlebe, haut mich jetzt nicht mehr um und es gelingt mir zunehmend, das alles etwas amüsanter zu sehen. So habe ich doch kürzlich im Elektrofachgeschäft nach aufladbaren Batterien gefragt. Ich habe sie auch bekommen, aber erst nachdem ich meine Wortwahl korrigiert hatte, denn statt „pilas cargable“ hatte ich zuerst nach „piletas cargable“, aufladbare Schwimmbäder, gefragt!

Sonntag, 6. Mai 2007

B. schreibt

Nun ist es soweit: Drei Monate, viele Bewerbungsschreiben und einige Nerven hat es gekostet, dass Gringux von seinem Ego geklettert ist und mir den Zugang zu diesem Blog gewährt hat, so dass ich nun hier mitmachen darf. Also: Ich bin die Ehefrau! In Zukunft werde ich nun auch das ein oder andere veröffentlichen!

Hasta luego!
Gringa